Esterhazy-Stiftungen und -Betriebe: Landwirtschaft und Forst erhalten das kulturelle Erbe
Die Esterhazy-Stiftungen und -Betriebe AG verwalten das mit 1 Milliarde Euro grösste Vermögen Österreichs. 44’000 Hektar Landwirtschaft, Forst und Weinberge (quer-)finanzieren Burgen und Schlösser.
Die österreichisch-ungarische Fürstenfamilie Esterházy residierte vier Jahrhunderte in ihrem Barockschloss in Eisenstadt. Esterházy prägten die europäische Geschichte als Diplomaten, Militärs und Kunst-Mäzene. So war Joseph Haydn ein Leben lang Hofmusiker, Kapellmeister und Komponist im Dienst der Fürsten Esterházy. Und heute? Alles vergangen und vergessen? Im Gegenteil.
Die Witwe des letzten Fürsten Esterházy, die ehemalige Primaballerina Melinda Esterházy, überführte 1994 die Besitztümer der Fürstenfamilie in drei Esterhazy-Stiftungen und die Esterhazy Betriebe AG. Dazu gehören 44’000 Hektaren Landwirtschaft und Forstwirtschaft, 65 Hektaren Weinberge, 16’000 Hektaren Wasserfläche des Neusiedler Sees sowie Burgen und Schlösser.
Seit 2001 verwaltet der Neffe von Melinda Esterházy, Stefan Ottrubay, das mit geschätzten 1 Milliarde Euro grösste Vermögen Österreichs. Wobei «verwalten» hier im doppelten Sinne des Wortes ein schwaches Verb ist: Der Schweizer Stefan Ottrubay gilt gleichzeitig als einer der mächtigsten und innovativsten Manager in Österreich (mehr über ihn – inklusive Audio-Interview – weiter unten im Text ab «Der Schweizer Stefan Ottrubay führt das Esterházy-Erbe in die Zukunft»).

Die Geschichte der Fürstenfamilie Esterházy in zehn Punkten
Zur Einordnung der Esterházy in die europäische Geschichte eine Zusammenfassung von 500 Jahren der Fürstenfamilie im Schnelldurchlauf:
1. Die Ursprünge im Mittelalter
Die Esterházy-Familie stammt ursprünglich aus Ungarn. Erstmals wird der Familienname 1527 als (ungarisch) Zerház urkundlich erwähnt.
2. Der «Gründer» Nikolaus Esterházy
Baron Nikolaus Esterházy (1582-1645) formte die kleine ungarische Adelsfamilie durch kluge Heiratspolitik und Loyalität zur Habsburger-Dynastie zu einem der grössten Aristokraten-Geschlechter des Königreichs Ungarn (einem der beiden autonomen Staaten der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn).
3. Das Schloss Esterházy als Stammsitz
Das Schloss Esterházy in Eisenstadt (damals West-Ungarn, heute im östlichsten österreichischen Bundesland Burgenland) ist seit 1622 im Besitz der Familie Esterházy und gilt als eines der bedeutendsten Barockschlösser Österreichs. Die Esterházy machten das Schloss zu einem kulturellen Zentrum im damaligen Europa.
4. Die Esterházy und Joseph Haydn
Die Fürstenfamilie Esterházy engagierte den Komponisten Joseph Haydn 1761 als Hofkapellmeister. Haydn war 42 Jahre lang Hofmusiker, Kapellmeister und Komponist im Dienst der Fürsten Esterházy, im Schloss Esterházy leitete er im eigens gebauten Haydn-Saal (einer der schönsten und akustisch besten Konzertsäle der Welt) das Orchester und die Oper.
Seine Vertonung des Gedichts «Gott erhalte Franz, den Kaiser, Unsern guten Kaiser Franz!» wurde zur österreichischen Kaiserhymne und (natürlich mit anderem Text) später die Melodie der deutschen Nationalhymne.

5. Die politische Macht der Esterházy
Die Esterházy spielten eine wichtige Rolle in der Politik der Habsburger-Monarchie (1273-1918) und prägten als Diplomaten und Militärs die ungarische und österreichische Politik über vier Jahrhunderte.
Die Esterházy standen auch in kriegerischen Auseinandersetzungen stets zum Kaiserhaus, von den wechselnden Türkenkriegen (1526-1792) über den Dreissigjährigen Krieg (1618–1648) bis zu den Napoleonischen Kriegen (1792–1815).
6. Fürst Paul Esterházy übernimmt das Erbe
Das Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1918 brachte für die Fürstenfamilie Esterházy einschneidende Veränderungen mit sich. Plötzlich lagen ihre Ländereien in fünf verschiedenen Staaten: Ungarn, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Rumänien und Österreich.
Fürst Paul V. Esterházy de Galantha hatte nach dem Tod seines Vaters 1920 mit erst 19 Jahren das Majorat der Fürstenfamilie übernommen. Dieses mittelalterliche Erbrecht (eine Art Familienstiftung) hält die Güter zusammen, indem der älteste Sohn die Leitung übernimmt und dem Rest der Familie einen Unterhalt zahlt.
7. Fürst Paul Esterházy wird von den Kommunisten verhaftet
Die Ländereien der Fürstenfamilie wurden nach 1918 aber sukzessive verstaatlicht. Alleine in Österreich verloren die Esterházy 66’000 Hektaren Ländereien, darunter auch das Schloss Esterházy in Eisenstadt und die Burg Forchtenstein.
In Ungarn wurden über 128’000 Hektaren Ländereien von der kommunistischen Regierung nach 1947 enteignet. Auch die Güter in der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien waren für die Familie Esterházy verloren.
Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) floh praktisch die ganze Familie Esterházy vor der sowjetischen Besatzung aus Ungarn. Der Majoratsherr Paul Esterházy blieb aber im Land und heiratete.
Als Fürst Paul V. Esterházy de Galántha die ungarische Primaballerina Assoluta (absolut grösste Ballerina ihrer Zeit) Melinda Ottrubay heiratete, war er durch die Enteignungen so arm wie eine Kirchenmaus. Und 1948 wurde er von den Kommunisten in einem Schauprozess zu 15 Jahren Einzelhaft verurteilt.
8. Die Schweiz als Fluchtort für Fürst Paul Esterházy
Während des Ungarn-Aufstandes konnten Paul und Melinda Esterházy am 1. November 1956 in einem als Rotkreuz-Fahrzeug getarnten Wagen von Budapest über Österreich nach Zürich flüchten. Sie kauften ein Haus beim Bahnhof Enge, in dem sie bis zum Tod von Paul Esterházy 1989 lebten.
9. Melinda Esterházy als Erbin
Paul Esterházy starb 1989 in Zürich. In seinem Testament setzte er seine Frau Melinda als Universalerbin ein. Diese solle «eine Lösung suchen, mit welcher unsere Besitztümer nicht wie eine Salami zerstückelt werden».
Melinda Esterházy suchte und fand eine Lösung. Sie überführte 1994 die gesamten Esterházy-Besitztümer in drei Stiftungen und die Esterhazy Betriebe AG. Die verbliebenen Linien der Esterházy erhielten eine Abfindung.
Danach zog sich Melinda in den Ruhestand zurück, 2014 ist sie in Eisenstadt verstorben. Schon 2001 übernahm ihr Neffe Stefan Ottrubay die Oberaufsicht über die Stiftungen und die Betriebe.

10. Jahrelange Streitigkeiten um das Erbe
Die drei Esterhazy-Stiftungen und die Esterhazy Betriebe AG verwalten seither den grössten privaten Grundbesitz Österreichs, der (ohne die Kulturgüter von unschätzbarem Wert) auf 1 Milliarde Euro geschätzt wird. Doch der Wert ist theoretisch, denn verkaufen können die Esterhazy-Stiftungen diesen Besitz nicht.
Wo viel Geld ist, ist auch Streit: Die verbliebenen Linien der Esterházy kritisierten, Stefan Ottrubay sei der Neffe der «angeheirateten und bürgerlichen» Melinda Esterházy (geborene Ottrubay). Deshalb klagten sie vor Gericht, dass das Vermögen nicht mehr von einem «Familienfremden» verwaltet werden solle – und verloren durch alle Instanzen.
Nach jahrelangen Streitigkeiten entschieden die Gerichte: Fürst Anton II. Esterházy de Galántha (der Neffe von Fürst Paul Esterházy) ist Oberhaupt der Familie Esterházy de Galántha, nimmt in dieser Funktion aber ausschliesslich repräsentative Angelegenheiten der Familie wahr.
Die Leitung der Esterhazy-Stiftungen und der Esterhazy Betriebe AG bleibt in den Händen von Stefan Ottrubay.

Der Schweizer Stefan Ottrubay führt das Esterházy-Erbe in die Zukunft
Um im wörtlichen Sinne zu ermessen, wie gross das Einzugsgebiet der Esterhazy-Stiftungen und der Esterhazy Betriebe AG ist: Wenn man gut zu Fuss ist, bräuchte man fünf Tage mit je acht Stunden Marsch, um dieses Gebiet zu umrunden.
Mitten drin, auf dem Bio-Landgut Esterhazy in Donnerskirchen, treffe ich den 69jährigen Manager Stefan Ottrubay zu einem Gespräch. Sein Vater Josef Ottrubay war der Bruder von Melinda Esterházy und während drei Jahrzehnten Direktor der Hochschule Luzern. Parallel dazu war Josef Ottrubay der wichtigste Berater seiner Schwester, gemeinsam planten sie die künftigen Strukturen der Esterhazy-Stiftungen.
Sein Sohn Stefan Ottrubay studierte Jura und war Manager in Banken und Versicherungen, nach dem Fall des Eisernen Vorhanges 1989 auch zehn Jahre in Ungarn. Bis ihm Melinda Esterházy 2001 die Führung der Esterhazy-Stiftungen und der Esterhazy Betriebe AG übertrug.
Stefan Ottrubay ist für viele «der letzte Fürst im Burgenland»
Bei meinen Recherchen im Burgenland bezeichnen einige Gesprächspartner den Vorsitzenden der Esterhazy-Stiftungen und Aufsichtsratsvorsitzenden der Esterhazy-Betriebe als den «letzten Fürsten im Burgenland». Die einen mit grossem Respekt, die anderen mit von Neid geprägten Unterton.
Stefan Ottrubay ficht das nicht an: «Die Esterhazy-Betriebe waren 2001 ein Anachronismus aus dem 19. Jahrhundert: grosse, feudale Wirtschaftseinheiten. Das Management war überaltert und man lebte in den Tag hinein.»
Ottrubay holte externe Experten und arbeitete mit diesen eine Strategie für die strukturelle Neuausrichtung aus. «Das war ein Kraftakt, um das Erbe der Esterházy im 21. Jahrhundert überlebensfähig zu machen.» Denn dieses Erbe kostet sehr viel Geld.
Alleine in das Jahrhundertprojekt der Renovation von Schloss Esterhazy in Eisenstadt wurden seit 2001 viele Millionen Euro gesteckt, in den nächsten Jahren sollen noch einmal 100 Millionen Euro investiert werden.
Dazu kommen die Renovationen der Burg Forchtenstein neu mit einem modernen Gastrobetrieb und des Renaissance-Schlosses Lackenbach neu mit dem Boutique-Hotel «Zum Oberjäger».
«Seit dem Bestehen der Esterhazy-Stiftungen haben wir 224 Millionen Euro in deren Substanz und in den Kulturtourismus im Burgenland investiert», betont Stefan Ottrubay im Gespräch.

Um diese Projekte durch Quersubventionierung zu finanzieren, müssen die Wirtschaftsbetriebe der Esterhazy-Stiftungen Gewinn abwerfen. 2023 erwirtschafteten die fünf Unternehmensbereiche einen Umsatz von 89 Millionen Euro – fünf Mal mehr als noch 2001.
Pannatura (Landwirtschaft und Forstwirtschaft)
Esterhazy Hospitality (Gastronomie und Hotellerie)
Neben der Bio-Landwirtschaft betreibt Esterhazy auch eigene Jagd und Wildbret-Verarbeitung
Von den 5600 Hektaren Landwirtschaftliche Nutzfläche hat zum Beispiel Pannatura (ein Kofferwort aus Pannonien und Natur) 2200 Hektaren auf Bio-Landbau umgestellt. Damit hat Esterhazy das Burgenland zu einem österreichischen Vorreiter der Bio-Landwirtschaft entwickelt, in dem internationale Landtechnik-Hersteller auch mal ihre neuen Maschinen testen, wie Stefan Ottrubay im Interview erklärt:
Zusätzlich sorgt Pannatura mit Windschutzgürteln oder Blühstreifen zwischen den riesigen Ackerflächen für Biodiversität – und dafür, dass auch Niederwild wie Hasen oder Rebhühner seinen Lebensraum hat.
Letzteres nicht ganz uneigennützig: Auf den Landwirtschaftlichen Nutzflächen und in den eigenen Wäldern werden jährlich 8000 Rehe, Hirsche, Wildschweine, Enten, Gänse oder Hasen geschossen.
Die für 2,5 Millionen Euro gebaute eigene Fleischmanufaktur am Seehof in Donnerskirchen verarbeitet jährlich 100 Tonnen Wild (und 25 Tonnen Bio-Angus-Rind aus eigener Zucht), erklärt Stefan Ottrubay im Interview:
Vermarktet werden die veredelten Produkte unter anderem in der Markthalle Kulinarium Burgenland in Eisenstadt. Das Wildbret wird aber auch an die Gastronomie der Region bis nach Wien verkauft.
Mit neuen Projekten belebt Esterhazy die Gastronomie und Hotellerie im Burgenland
«Heute sind die Esterhazy Wirtschaftsbetriebe für das Burgenland ein Tourismus- und Wirtschaftsmotor», ist Stefan Ottrubay überzeugt. In Eisenstadt, immerhin die Hauptstadt des Burgenlandes, gab es zum Beispiel kaum Hotels für die Besucher der Festivals und Ausstellungen im Schloss Esterhazy.
Ottrubay eröffnete 2022 sein eigenes Design-Hotel in Eisenstadt, das «Hotel Galántha» mit gut 100 Zimmern (benannt nach dem Ort Galántha bei Bratislava, den die Fürstenfamilie Esterházy im Namenszusatz trägt). 60 Millionen Euro investierte Ottrubay in das Hotel und einen multifunktionalen Gebäudekomplex mit 60 Eigentumswohnungen und Büros mitten im Schloss-Quartier.
Und im Juni 204 wurde im früheren Seebad Breitenbrunn am Neusiedlersee, das den Esterhazy-Stiftungen gehört, ein ambitioniertes neues Seebad eröffnet. Nach Investitionen von 53 Millionen Euro umfasst der «Neue Strand» die grösste Hafenanlage Österreichs, ein Restaurant und einen Campingplatz sowie (ab 2026) ein neues Hotel.

Die Edel-Küferei Stockinger bindet mit Holz aus den Esterhazy-Wäldern neue Barrique-Fässer
Wie die Landwirtschaftliche Nutzfläche werden die 22’400 Hektaren Wald von Pannatura nach modernsten Methoden bewirtschaftet. Mit dem Holz aus den riesigen Waldflächen wurde ein erfolgreicher Holzhandel aufgebaut – immer im Einklang mit der Natur in der pannonischen Ebene.
Auch hier werden Synergien zu anderen Unternehmensbereich genutzt: Mit ausgewählten Hölzern produziert der beste Fassbinder der Welt – die Edel-Küferei Stockinger im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs – neue Barrique-Fasser für das Weingut Esterhazy.
In einem futuristischen Neubau in Trausdorf produziert Geschäftsführer Frank Schindler mit Kellermeister Robert Krammer «charakterfeste, klare, ausdrucksstarke Burgenländer Weine», wie er mir während der Wein-Degustation erklärt. «Nette Weine mag ich nicht.»
Seit 2020 stellen Schindler und Krammer das Weingut Esterhazy auf biologische Bewirtschaftung und Handlese um, ändern den Rebschnitt in allen Anlagen, geben Flächen ab und konzentrieren sich auf Top-Terroirs in einem Radius von maximal zehn Kilometern um das Weingut in Trausdorf.
Die heute 65 Hektaren Weinberge sind flächenmässig der kleinste Teil der Esterhazy-Ländereien – aber mit dem Fokus auf die Region, auf naturnahe Produktion und einen eigenen Charakter typisch für alle Esterhazy-Unternehmen.



