Lohnunternehmer halten mit grossen Maschinen die Landwirtschaft am Laufen
Landwirte mieten die grossen Maschinen und Fahrer von Lohnunternehmen stunden- oder tageweise an. So teure Maschinen können sich Landwirtschaftsbetriebe nicht leisten. Wer sind diese Lohnunternehmen?

«Die Bauern kaufen mit meinem Steuergeld die teuersten und grössten Traktoren!» Das hört man während der Erntezeit jeden Tag. Aber stimmt das? Spoiler: Nein, es stimmt nicht. Oder wenn, dann nur selten.
Wenn man jetzt grosse Traktoren, Mähdrescher, Rundballenpressen, Häcksler und andere riesige Landmaschinen sieht, gehören diese mit grosser Wahrscheinlichkeit einem Lohnunternehmer.
Viele LandwirtInnen haben keine eigenen grossen und damit teuren Maschinen. Sie beauftragen Lohnunternehmer mit Aufgaben, für die es solche Maschinen braucht:
Bodenbearbeitung wie Pflügen und Grubbern
Säen, Düngen und Pflanzenschutzmittel sprühen
Mähen und Dreschen von Getreide
Verladen und Transport der Ernte, Reinigung (zum Beispiel Zuckerrüben)
Gülleausbringung (in der Viehwirtschaft)
«Es braucht die Lohnunternehmen, damit sich die LandwirtInnen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können», erklärt David Brugger, Leiter Geschäftsbereich Pflanzenbau beim Schweizer Bauernverband SBV. «So können die LandwirtInnen auch die Arbeitsspitzen abdecken und die Kosten im Griff behalten.»
Mit dem Nachteil, dass sich die LandwirtInnen damit an die Verfügbarkeit des Lohnunternehmers anpassen müssen – was in der Hochsaison zu Wartezeiten führen kann.
Umgekehrt sind Lohnarbeiten aber für viele LandwirtInnen auch ein wichtiger Einkommensbestandteil, sie haben dank Lohnarbeit ein Zusatzeinkommen. Die «Lohner-Stunden» sind gut bezahlt, oft besser als mit der Arbeit auf dem eigenen Betrieb.

Wieviele Lohnunternehmen gibt es?
Die erste Lohnunternehmen entstanden wahrscheinlich in den 1930er-Jahren in den USA, zumindest erzählen das ältere US-amerikanische Farmer.
«In der Schweiz tauchten die ersten Lohnunternehmen Ende der 1950er-Jahren auf.» Das erzählt Fritz Hirter, der schon 1961 als 16jähriger Bursche mit einem Mähdrescher New Holland Claeys M73 im Kanton Aargau sein eigenes Lohnunternehmen gründete, das als Hirter und Tschanz heute noch in der Landwirtschaft unterwegs ist.
Die ersten Lohnunternehmer fuhrwerkten in den Kantonen Zürich und Aargau, später im Rest der Schweiz. Bis heute mit Ausnahme bei den Gemüsebauern im Tessin, weil diese naturgemäss keine Mähdrescher und andere grosse Maschinen brauchen.
Der Anteil von Lohnunternehmen im Vergleich zu den Landwirtschaftsbetrieben ist in den deutschsprachigen Ländern unterschiedlich hoch:
Schweiz: 700 Lohnunternehmen oder 1,5 Prozent der 48’000 Landwirtschaftsbetriebe
Deutschland: 4’000 Lohnunternehmen oder 1,5 Prozent der 260’000 Landwirtschaftsbetriebe
Österreich: 700 Lohnunternehmen oder 0,5 Prozent der 155’000 Landwirtschaftsbetriebe (Österreich zählt 58 Prozent Nebenerwerbsbetriebe, die sich meist auf Viehhaltung und wenig Ackerbau beschränken)
Diese Zahlen sind Schätzungen von Branchenkennern. «Denn es gibt keine offiziellen Zahlen zu den Lohnunternehmern», erklärt Kirsten Müller, Geschäftsführerin des Verbandes Lohnunternehmer Schweiz.
Wer ist eigentlich Lohnunternehmer?
«Es ist schwierig zu definieren, wann jemand ein Lohnunternehmer ist», weiss Kirsten Müller. Jedes Land und teilweise jede Organisation in der jeweiligen Landwirtschaft hat seine eigene Definition:
Schweizer Bundesverwaltung: «Lohnunternehmen erledigen gegen Entgelt landwirtschaftliche Arbeiten für Dritte.»
Deutsche Finanzämter: «Lohnunternehmen sind Betriebe, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes oder mehr als 100’000 Euro/Jahr überbetrieblich erwirtschaften.»
Deutscher Bundesverband Lohnunternehmen BLU e. V.: «Lohnunternehmer sind Landwirte, die mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes mit Lohndienstleistungen erbringen.»

Der Maschinenpark eines Lohnunternehmens kostet einige Millionen
Was alle Lohnunternehmen gemeinsam haben: Einen mehr oder weniger grossen und teuren Maschinenpark und die Mitarbeiter dazu. Als Faustregel kann man schätzen, dass es pro 1 Million Franken Maschinenpark einen Mitarbeiter braucht. Rechne.
Kleinere Schweizer Lohnunternehmen investieren bis 3 Millionen Franken in den Maschinenpark und betreuen damit 30 und 150 Landwirtschaftsbetriebe.
Die grossen Lohnunternehmen haben eine Maschinen- und Fahrzeugflotte im Wert von 10 bis 30 Millionen Franken. Sie haben mehrere Hundert Landwirtschaftsbetriebe als Kunden.
Dazu kommen immer mehr Aufgaben im Strassenunterhalt, vom Böschungsmähen bis zum Winterdienst. Diese Aufgaben sind für Lohnunternehmen zu einem wichtigen neuen Standbein geworden. Branchenkenner schätzen, dass 30 Prozent der Schweizer Lohnunternehmen auch im Strassenunterhalt tätig sind.
Dies ist ein hoher Anteil im Vergleich zu Deutschland und Österreich, wo immer noch kommunale Betriebe oder Bauhöfe diese Aufgaben übernehmen. Ein Grund dafür ist für Kirsten Müller «die kleinteilige kommunale Struktur der Schweiz und die stärker ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und privaten Dienstleistern».

Trotzdem werden die Lohnunternehmen nicht von allen geschätzt. «Vor zwanzig Jahren wurden wir Lohnunternehmer für unsere effiziente Arbeit geschätzt, heute werden wir dafür in der Gesellschaft kritisiert», beklagt sich Fernand Andrey, Vizepräsident des Verbandes Lohnunternehmer Schweiz. «Dabei sind Lohnunternehmen der Schlüssel für eine nachhaltige und professionelle Landwirtschaft.»
Lohnunternehmen machen neue und teure Technologien allen LandwirtInnen zugänglich
«Lohnunternehmer werden in Zukunft tatsächlich ein wichtiger Schlüssel sein, um Innovationen und neue Technologien in die Schweizer Landwirtschaft zu bringen», ist Robert Finger von der ETH Zürich überzeugt.
Der international renommierte ETH-Agronom erwartet, dass «neue Technologien zum Beispiel in der Präzisionslandwirtschaft dazu beitragen, Zielkonflikte zwischen Produktivität und Umweltwirkung zu reduzieren». Weil diese Technologien für einzelne Landwirtschaftsbetriebe zu teuer sind, können sie durch Lohnunternehmen allen LandwirtInnen zugänglich gemacht werden.
Die Entwicklung hin zum verstärkten Einsatz von Lohnunternehmern ist gemäss Robert Finger auch für die Politik relevant: «Die Konzentration von Aufgaben in einer Hand bringt eine hohe Professionalisierung und damit die Möglichkeit, vieles besser und kostengünstiger umzusetzen.»

Bundesrat Albert Rösti war ein verhinderter Lohnunternehmer
Apropos Politik: Im Berner Oberland erinnert man sich noch daran, dass ein junger ETH-Agronom namens Albert Rösti in den 1990er-Jahren versuchte, die Bauern zum gemeinsamen Kauf eines Mistzetters zu bewegen – ein einfacher Anhänger zum Transport und zur Ausbringung des bei der Viehhaltung anfallenden Festmists. «Damit hatte ich aber keinen Erfolg», erinnert sich Rösti, dessen Lohnunternehmer-Karriere damit beendet war, bevor sie begann.
2023 wurde Albert Rösti in den Bundesrat gewählt. Und rühmt heute die Lohnunternehmen für ihre effiziente Arbeit in der Schweizer Landwirtschaft. «Dank dem Einsatz einer hoch entwickelten Mechanisierung, die gleichzeitig eine nachhaltige Landwirtschaft mit ökologischen Gesichtspunkten berücksichtigt, ist die Schweizer Landwirtschaft auf einem guten Weg.»


