SBB lassen invasive Neophyten blühen, Bauern büssen dafür
Schweizer Bauern ärgern sich über die SBB, die aus Spargründen invasive Neophyten an den Bahnstrecken nicht bekämpft. Diese Problempflanzen verdrängen heimische Pflanzen und schaden der Biodiversität.

Entlang der Schweizer SBB-Bahnstrecken breiten sich invasive Neophyten aus wie das Einjährige Berufkraut. Diese hübsche Krautpflanze, die Laien oft mit Margeriten oder Kamillen verwechseln, wurde im 18. Jahrhundert aus Kanada und den USA als Zierpflanze eingeschleppt.
Das Einjährige Berufkraut wächst einen Meter hoch und seine Wurzeln bohren sich einen Meter tief in den Boden. Jede Pflanze bildet bis 50’000 Samen, die mit dem Wind an an Fahrzeugen haftend weit verbreitet werden. Am «Landeplatz» überleben die Samen mehrere Jahre im Boden, bis daraus eine neue Pflanze wächst.
Dabei verdrängt der Eindringling einheimische Pflanzenarten und richtet auf biodiversitätsreichen Fruchtfolgeflächen entlang der Bahnstrecken grossen Schaden an. Besonders perfide: Das Einjährige Berufkraut sondert Stoffe ab, die andere Pflanzen am Wachstum hindern.

Invasive Neophyten wie das Einjährige Berufkraut müssen konsequent bekämpft werden
In der Schweiz wurde das Einjährige Berufkraut in die Liste der gebietsfremden invasiven Pflanzen und in die Freisetzungsverordnung aufgenommen. Seit September 2024 ist der Verkauf dieses Neophyten verboten. Wo es wächst, gibt es nur eine Bekämpfungsstrategie:
Mit der Wurzel ausreissen,
im nächsten Jahr nochmals ausreissen und
In den Jahren darauf immer wieder ausreissen.
Bis eine Fläche vollständig neophytenfrei ist, kann es zehn Jahre dauern. Denn im Fall des Einjährigen Berufkrautes bedeutet neophytenfrei, dass es keine Samen mehr im Boden haben darf. Nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Es sei denn, man verhindert Neu-Absamungen konsequent mit bis zu sechs Jät-Durchgängen pro Jahr.
Die SBB sparen beim Grünunterhalt ihrer Bahnstrecken auf Kosten der Landwirte
Das sollten die SBB entlang ihres 3000 Kilometer langen Schienennetzes auch tun. Mit der Betonung auf «sollten»: Der Bundesbetrieb reduziert aus Spargründen den Grünunterhalt. Die SBB setzen nur noch sicherheitsrelevante Massnahmen um. Und es gibt kein Gesetz, um die SBB in die Pflicht zu nehmen.
So kann sich das Einjährige Berufkraut ungehindert verbreiten. Leidtragende sind Landwirte, deren wertvolle Fruchtfolgeflächen entlang von SBB-Bahnstrecken liegen:
Bestes Ackerland,
für mehrere Jahre extra angelegte Ansaatwiesen mit bis zu acht Sorten Gras und Klee sowie
ackerfähige Naturwiesen.
Das ist bitter, weil die Landwirte invasive Neophyten bekämpfen müssen, sonst werden ihnen die Direktzahlungen gekürzt. Wobei sich ein Landwirt ernsthaft überlegen muss, was ihn teurer zu stehen kommt: Etwas weniger Direktzahlungen oder die exorbitanten Bekämpfungskosten bis zu 5000 Franken pro Hektare und Jahr.
Der Zürcher Bauernverband macht den Bundesbahnen Dampf im Kessel
Bisherige Kritik liessen die SBB auf Nebengeleisen auslaufen. Nun hat aber der Zürcher Bauernverband genug: ZBV-Geschäftsführer Ferdi Hodel macht dem Bundesbetrieb in einer Medienmitteilung vom 4. Juli 2024 Dampf im Kessel:
«Wir fordern die SBB mit Nachdruck auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Neophyten zu bekämpfen!»
Es könne doch nicht sein, «dass der Landwirtschaft eine indirekte Bekämpfungspflicht auferlegt wird, für Akteure wie die SBB aber eine solche Pflicht nicht gilt».
Es sei «absolut inakzeptabel, dass ein Bundesbetrieb die Konsequenzen von Bundebeschlüssen auf die Landwirte abwälzt.»
ZBV-Geschäftsführer Ferdi Hodel fordert die SBB auf, «ihre Verantwortung im Grünunterhalt wieder vollumfänglich wahrzunehmen und Neophyten entschlossen zu bekämpfen». Sonst werde «das bisher gutnachbarschaftliche Verhältnis zwischen Landwirten und Bundesbahnen empfindlich gestört».
Drei Irrtümer zum Namen des Einjährigen Berufkrautes (Erigeron annuus)
Das Einjährige Berufkraut ist eine meist zweijährige Pflanze. Der namensgebende Botaniker Carl von Linné erkannte das 1753 nicht, sonst hätte er der Pflanze nicht den lateinischen Artnamen annuus (auf ein Jahr beschränkt) gegeben.
Der Gattungsname Erigeron setzt sich zusammen aus griechisch erio (wollig) und geron (Greis). Dem Botaniker ist aufgefallen, dass die Samen des Einjährigen Berufkrautes an feinen weissen «Haaren» hängen. Diese sehen aus wie die wilde Frisur von Albert Einstein (den von Linné nicht kennen konnte, weil der Erfinder der Relativitätstheorie ein Jahrhundert später lebte).
Das Einjährige Berufkraut schreibt sich ohne «s» und hat nichts mit einem Beruf (Erwerbstätigkeit) zu tun. Im Volksglauben sollte die Pflanze Menschen vor dem «Berufen» (Verwünschen) schützen. Berufkraut-Büschel wurden in Häuser und Ställe gehängt, damit Hexensprüche bei Bewohnern und Vieh keinen Schaden anrichten konnten.


